» Zappanale #18
Zappanale 18 - 2007Wie üblich begann für viele Fans die Zappanale schon am Donnerstag Abend in Zappa Town am und im Kamp Theater. Es war eine Dokumentation zu
Wild Man Fischer zu sehen und nach Einbruch der Dunkelheit trat
Christophe Godin auf.
Erstmals war vor dem Kamp Theater eine Bühne in Form eines Trucks aufgebaut. Nach Christophe Godin gab es dort das Captain Beefheart Projekt (
Chen Unst) zu erfahren, welches von einigen Multimedia-Installationen begleitet wurde. Die super Stimmung und kuschelige Atmosphäre ließ die Fans dazu animieren, bis tief in die Nacht zu verweilen, um sich auch nicht zuletzt auf die kommenden drei Tage voller Livemusik einzustimmen.
BeschreibungZu dem schönen Flair am Donnerstag Abend jedes Jahr trägt sicherlich auch die Anwesenheit vieler Bands bei, eingeschlossen der auch in jedem Jahr auftretenden anwesenden Zappa-Alumnies. Selbst der kleine Regenschauer konnte die Atmosphäre nicht trüben. Die Knoblauchfront versorgte in gewohnter Art und Weise das Publikum mit Spezialitäten.
Das gute Wetter hat auch viele Besucher mitgebracht. Am Freitag allein 950 verkaufte Tickets, an den beiden folgenden Tagen wohl etwas weniger. Wer nicht zum ersten Mal kam, erkannte etliche Gesichter wieder. Das ist auf der Zappanale nicht schwierig, viele markige Typen kommen als Festivalbesucher. Weiße lange Haare, ultralange Bärte, gar zu Dreads gefügt oder Zöpfen geflochten. Einige hatten das lange Haupthaar eingebüßt, stopften sich dafür in 50er Jahre Schürzen oder Hippie-Kleider, setzten witzige Hüte auf oder liefen mit rosa Perücken über das Festivalgelände. Manche „Hippie-Großmama“ stiefelte mit ihren Enkeln über den Platz, junges Volk war viel zu sehen. Spielende Kinder, lauschende Jugend, mancher Knabe gar, der gedankenverloren "Florentine Pogen" mitpfiff…
Das Zappanale-Programm, auf den ersten Blick wegen der (wie stets) vielen unbekannten Bandnamen noch keine großen Schlüsse bietend, war abwechslungsreich und bot in manchem Fall grandiose Überraschungen. Schön waren wieder die gegensätzlichen Meinungen, was doch bestätigt, dass es sich um eine gelungene Programmzusammenstellung handelt.
Der gute alte
Don Preston begrüßte mit seinem
Akashic Ensemble am Freitag Nachmittag die Besucher. Unkaputtbar, konnte man da nur sagen. Der eigenwillige und reichlich schräge Sound der Band steigerte sich zuweilen in abgefahrene Vokalexkursionen; von wegen, Alter mache reif… Der gute Don Preston war noch einige Male die Tage über auf dem Gelände zu sehen (wie man zudem stets über einen gutgelaunten und Alle begrüßenden, stets lachenden
Napoleon Murphy Brock sehen konnte - auch beim sonntäglichen Frühstück in einer Bad Doberaner Bäckerei).
Nach dem Akashic Ensemble und der regulären Umbaupause stiegen die britischen Funksters
Monty & The Butchers für 90 Minuten auf die Bühne, um dem Publikum lautstark ihren scharfkantigen Funkrock in die Ohren zu pressen. Im Übrigen, an dieser Stelle meine Hochachtung an allen Helfenden, Organisatoren und Musiker - der Zeitplan war alle Tage über noch nie zuvor so exakt trotz Zugaben eingehalten worden!
Der folgende Act sollte sich als eines der Höhepunkte des Festivals herausschälen: der göttliche
Christophe Godin mit Mörglbl, seinen Brüdern im Geiste. Das Trio spielte Avantrock, Steve Vai, interpretierte AC/DC im brasilianischen Stil und Deep Purple in dezentem Jazz. Mit viel Humor spielte das Trio verrückte, ultraschräge und grandiose Songexkursionen Drei, nein viersprachig waren die Ansagen Godins und ihre Mimik, Gestik und Bewegung auf der Bühne machten nicht nur Spaß, sondern zeigte vielmehr auch die eigene Freude am musizieren. Godin ist ein Komiker, ein hinreißend begnadeter Gitarrist, der stilistisch keine Hürden kennt, zwischen Metal, Prog und Jazz jedes Quäntchen lustvolles Spiel austobt und dabei vergnügt Grimassen zieht… Thanks a lot! Merci beaucoup! Spaciwo! Ähm, ja, genau…
Gleich danach stiegen mit
I Virtuosi Dal Pianeta Talento virtuose Zappa-Experten auf die Bühne, die sich tief in Zappas Themen eingegruben und ihre Coversache extrem gut machten. Marimba! Olé! War dat schön!! Ihre Interpretationen waren vor allem aus Zappas 70er Jazzrock-Schaffen inspirierten Cover derart komplex und traumhaft virtuos zelebriert, dass das Zuhören wie ein feuchter Traum war! Feuchtes Hören sozusagen, oder so. Na egal. Jedenfalls waren die Improvisationen des 12-köpfigen Ensembles radikal und kompromisslos- da waren avantgardistische Soli zu hören, Bass, Bläser und Marimba, Gitarre und Schlagzeug wie Keyboards ließen in der trancegleichen Arbeit der begabten und zappasüchtigen Band die Bühne brennen! Die Technik, das sei lobend erwähnt, arbeitete auf Hochtouren und Ausfälle waren - über das Festival wohl verteilt - nicht besonders viele zu hören.
Das waren, so gleich hintereinander, zwei Höhepunkte der Zappanale. Ja, und dann kam der dritte. Zwar kam Ike Willis
Project/Object ohne Ike Willis auf die Bühne, weil der gute Mann, in einen Verkehrsunfall verstrickt, verhindert war. Machte aber nix (ähm, für das Festival und das Konzert…), Napoleon Murphy Brock, der hier wie später noch einige Male mit diversen Ensembles als Gast auf der Bühne stand und seinen Charme immerfort spritzen ließ, fegte samt illustrer Band mit hoher Energie und Komplexität und so mancher hinreißender Jazz-Improvisation durch Zappas Kosmos, dass die Unterkiefer auf die Brust klappten und das Publikum sich selbst vergaß.
Trigon im Anschluss, als letzte Band des ersten Tages, ließ mit einem völlig anderen musikalischen Konzept den Abend ausklingen. Trigon, die beiden Brüder Rainer und Stefan Lange samt Schlagzeuger Tihomir Lozanovski, haben sich von ihrem Heavy Zen Jazz Image getrennt und spielen nun unter dem nach ihrem selbstgenannten Motto "Power-Space-Kraut-Jam-Rock", was sie in langen Stücken mit ausführlichen Soli bewiesen. Die Band plant, so hoffentlich alles gut läuft, Pfingsten nächsten Jahres eine kleine Japan-Tournee zu unternehmen.
Der Wettergott meinte es gut mit dem Festival, wenn die Nachtkühle auch für Frösteln sorgte. Duschen! Die "guten" Bezahlklos und Duschen für Festivalbesucher standen dicht am Zeltplatz, direkt vor dem Eingang zum Festivalplatz, während das weniger konfortabele Dixi-Pack ganz weit hinten am Ende des Platzes in einer Ecke lungerte.
Duschen! Das half, wie ein Vitaminrausch, dem vom Vortag geschundenen Körper und seinem wehen Geist wieder auf die Sprünge, ein formidables Frühstück gab sein Fundament dazu und der zweite Festivaltag konnte frische, gestärkte und gespannte Gäste empfangen.
SamstagDen Auftakt gab ein gutgelaunter
Jim Cohen, highnoon im Kamptheater in der (nahen) Stadt Bad Doberan, wo er in die Tiefen von Zappas Lyrics einstieg und Parallelen erläuterte, die verblüffend waren. In seiner gutgelaunten, humorvollen Art war das zudem äußerst unterhaltsam. Nur, das muss gesagt sein, es war etwas kurz. Davon mehr, und dann noch mehr. Bitte!
Nach der Exegese der Lyrics zu "Holiday in Berlin" (siehe oben), holte Mr. Jim dann
Dr. Dot auf die Bühne und veranstaltete mit der holden Dame ein Interview. Dr. Dot, das wissen wir alle, hat sich als Masseurin einen Namen gemacht. Als Hippiekind aufgewachsen, wo sie bereits als Dreijährige auf den Rücken langhaariger Freaks herumtrampelte, erlernte sie verschiedene Massagetechniken, die sie (ohne Diplom) stets verfeinerte. Heute hat sie ein weltweites Imperium mit 86 Angestellten, das sich der Massage geplagter Rockmusiker vor und nach deren Konzerten annimmt und zudem ein Diplom. Wer mehr über die Lady wissen will, braucht das deutschsprachige Buch, wie sie selbst meint, nicht zu lesen. Sie hasst es. Vielmehr rät sie, zu den nächsten Interviews zu kommen. Es war nicht nur sehr interessant, sondern sie wartete auch mit einigen erfrischenden Erkenntnissen auf. Sie nahm auch das Wort Muschi in den Mund; Jim Cohen, der Komiker, verbog sich mit eingehenden Grimassen neben ihr, so früh am Morgen den Anstand wieder zu bekleiden. Sie zog sich nicht aus. Nein. Aber sie gab ein bewegendes Beispiel ihrer exklusiven Rülps-Kunst von sich. "Das war nur geübt", meinte sie launig… Derlei Unterhaltung bietet sich viel zu selten!
Auf dem Festivalgelände fand der Tageseinstand - mal abgesehen von jungen Nachwuchstruppen, die sich selbstbewusst präsentierten, und Bühne, Technik und Publikum geschenkt bekamen - nicht auf der großen Bühne statt, sondern auf einem Truck. Das soll, wie Chef Spanien, Wolfhard Kutz, bemerkte, bei Erfolg ausgebaut werden. Auf dieser Art und Weise könnten die berühmten Umbaupausen mit weiterer Livemusik gefüllt werden.
Chen Unst als Captain Beefheart Projekt mit eigenem Kopf machte extreme Avantgarde. Zuerst waren das nur Computertöne und gesprochene Beefheart-Lyrics, später tobte die Band mit Bass und Schlagzeug und wild gewordenen Computerklängen das reine Chaos vom Truck, dass mancher Fan wie gebügelt und benebelt dem Treiben lauschte. Davon waren etliche sichtlich überfordert, während andere, wie Avantfreak Sale, vergnügt grinsend meinten, das sei der beste Act des Festivals.
Die Meinung ging dieses wie jedes Jahr weit auseinander, was natürlich auch für die musikalische Vielfalt des Festivals spricht. Mehr Zappa, sagte wohl keiner. Denn genügend sehr gut gespielten Zappa gab es viel. Mehr Avantgarde, sagten weniger. Mehr Progressives, das war oft zu hören. Bands mit eigenem Profil und eigener Musik! Doch egal, wie unterschiedlich die Meinungen waren, blieb das Festival dem Motto der bunten Fahne, die lau über das Gelände flatterte, treu. "Peace"!
Aus dem norwegischen Tromsø stammt das
Team Zappa. Große Besetzung, viele Bläser, Marimba! Olé! Grandioses, leidenschaftliches Konzert, wilde Improvisationen, genaue Texturen, hinreißend virtuoses Spiel. Eine weitere perfekte Inszenierung der Zappainterpretation. Traumhaft!
Octafish mit ihrem abgefahrenen, jazzinspirierten Progressive Rock im Anschluss, die ihren Sound selbst "Industrial Fake Jazz" nennen, kamen in ihren experimentellen und mordsschrägen Improvisationen und witzigen Songideen gut beim Publikum an. Welch ein Glück, solcherlei in Zeiten verkümmerter populärer Musik auf der Zappanale live und laut hören zu können!
Während
Kimono Draggin, als Restrudimente von Dr. Dark, die bereits auf der Zappanale spielten, im Anschluss einen wesentlich schlichteren Mix aus Zappa, Stooges und Talking Heads probierten, suchte gen Westen ein malerischer, fast märchenhafter Sonnenuntergang seine Fotografen. Als das breite Wolkenband über dem Horizont schließlich von unten beschienen wurde, und unter dem Grau der beginnenden Nacht ein glühendes Rot stand, war nicht allein die Fotografenarmee beglückt und über die sehnsüchtigen Sonnenuntergangsanbeter neigte sich eine stille Melancholie, die nur hier zu spüren war, während die impulsive Band auf der Bühne schräge und eingängige Ideen zum Besten gaben, und die Zuschauer bewegt und aufgedreht lauschten.
Ein Festival, viele Stimmungen - - -
Bereits die Norweger Team Zappa, auch so manche andere Band, hatten sich hier und dort verspielt, was kaum auffiel, wenn man nicht übergenau zuhörte, auch Sex Without Nail Bros. ließen sich im Rausch des Spiels zu einigen Verspielern hinreißen, was die Menge gewiss nicht merkte, einige Gäste aber, Zappaspezialisten sind eben Spezialisten, zu bedeutenden Aussagen verleitete. So ein Festival kann nicht Jedem jederzeit gerecht werden. Wenn eine Band ein Tiefpunkt ist, bleiben CD- und LP-Stände, sich die Zeit zu vertreiben, oder die an den diversen Küchen, die von Pakistan bis Indien (geht alles auf der Zappanale) neben dem europäischen Angebot (deutsch, ungarisch, italienisch, Ritter, norddeutsch), etliches drauf hatten, sich exotisch den Bauch voll zuschlagen…
Wer CDs und LPs sammelt, wird auf der Zappanale manches Auge verlieren. Ähm, ja fast. Aber es gab manches lautes Kiefer-auf-Brust-Klappen. Wer Ausgefallenes, Ultrarares beziehungsweise noch nie da Gewesenes sammelt, wurde hier fündig, oder aß ein Softeis, ein Muffin... Verdammt, wer nix fand, konnte den Sonnenuntergang sehen, Schluss mit der Meckerei!
Sex Without Nail Bros. - die österreichische Formation mit drei Sängern nahm sich „Roxy and Elsewhere“ an und brachte Zappas komödiantische, witzige, böse und intelligent-unterhaltsame Parabel auf das Rockbusiness und den "American Way Of Life" in allen Facetten launig und vital in Form. "Da kann ich mir", meinte Charly, "auch mal einen Reggae antun, bei so guten bösen frauenfeindlichen Texten". So ist er. Der Zappa.
Space Debris schalteten die Bühne in den Krautrockmodus um und hingen in ihren Songs alten internationalen Vorbildern wie UFO, Deep Purple in eigenem Geiste mit langen Improvisationen und Soli nach. Orgel, Gitarre und Schlagzeug reichten, schwere Rockattacken über das Festivalgelände zu jagen, bis schließlich die Nachtzeit kam, sich in quasi privaten Partys zu amüsieren und Zappas Lyrics en gros und en detail zu diskutieren und interpretieren. Was auch sonst, gell?
SonntagNeuer Tag. Duschen! Frühstück. Die Arf Society machte Versammlung im Kinderzelt, nahm sich der immer noch aktiven Auseinandersetzung mit Franks Gattin Gail an und diskutierte über Möglichkeiten der Vereinsmitglieder, noch aktiver an der Zappanale mitzuwirken.
Ein Teil des schönen Flairs auf der Zappanale kommt ganz sicher auch durch die enge Verbindung von Arf Society Mitgliedern und den verschiedenen Bands zustande. Ich glaube noch wohler würden sich einige Bands fühlen, wenn sich Mitglieder als Betreuer für eine bestimmte Band während des Verlaufs des gesamten Festivals engagieren würden.
Zum gleichen Zeitpunkt übte sich ein Ensemble namens
Polytoxicomane Philharmonie in Sachen Psychedelic Rock auf der Bühne - allein der Name war drogenverdächtig, das Aussehen der Musiker, die Bühnenausstattung und die bedeutungsschwangere Musik einmal mehr. Sah auf den ersten Blick wie eine Inkarnation Frühsiebziger Gong aus, erwies sich dann aber eher als introvertiertes, tiefsinniges Unternehmen, dessen Soli und instrumentalen Läufe am frühen Tag noch nicht die nicht schon wieder betäubten Publikumssinne traf. Konnte man sich dennoch entspannt und melancholieversunken widmen.
The Great Googly Moogly aus, jupps! Schweden, offenbarten sich als Spaßvögel. Es gab Bläser und - Mallets! Marimba! Olé!
Die Zappanale ist eines der wenigen Festivals, wo man echtes und virtuos gespieltes Marimba und Vibraphon sehen und hören kann. Ruth Underwood steht zwar nicht dahinter, aber Zappas Musik wird mit eben diesem Instrument stets lebendig und virtuos zelebriert.
Nach zwei Zappa-Stücken, die bisher nicht zu hören gewesen waren, spielten auch die technisch sehr begabten Schweden vor allem bereits gehörte Zappa-Klassiker, wieder einmal waren "Florentine Pogen" und "Montana" dabei. Ist auch kein Wunder, wenn man die Sache der Interpretation aus der Sicht der Band ansieht. Da treffen ein paar technisch virtuose Musiker gleichen Sinnes aufeinander - was allein wohl schon schwer und Glücksfall genug ist - und meinen, sich Zappas Werk anzunehmen. Sie kennen weder die Zappanale, noch sonst einen breiten Fankreis und wollen, nachdem sie das Repertoire im eigenen Geiste bis zum Umfallen geübt und ausgebaut haben, Konzerte geben, Zuhörer fesseln und begeistern. Was ist da näher liegend, als sich Klassikern aus dem Repertoire zu widmen, markanten Stücken, die zudem viel Raum für illustres improvisatives Spiel lassen - was The Great Googly Moogly zu schönen instrumentalen Schlachten hinriss. Neben der Musik übte sich das Vokalduo der Truppe in deutscher Sprache, was ganz nette Unterhaltung bot und dem Publikum die Restnacht aus dem starren Leib sog.
Die größte Überraschung aber, doch, das war das
Jazzprojekt Hundehagen. Leib- und Magenband der Zappanale, bereits etliche Male dabei und seit ihrem ersten Mal ein jedes Mal wieder, stiefelte routiniert und gelassen auf die Bühne und rammte dem Publikum sofort mit 100% scharfkantigem Spiel die grandiose Musik des Mahavishnu Orchestra in die verblüfften Ohren. Was für eine ungeahnte, grandiose und völlig akademiefreie Interpretation! Die ganze Band spielt hinreißend, wenn auch, das ist nun mal ihre Position, Gitarrist und elektrischer Geiger (der mit diesem Gig die Prüfung bestanden hat und in die Band aufgenommen wurde…) die meisten Lorbeeren bekamen. Etliche der großen Songs, vor allem der ersten beiden Mahavishnu Orchestra-Platten, spielte Jazzprojekt Hundehagen mit Energie, Wucht und verschmitztem Lächeln. Ließ sich nicht von einer aufmüpfig eintönig kreischenden Endstufe ablenken, stöpselte um und spielte nahtlos weiter. Grandios!
Im weiteren Verlauf ihres Konzertes ging die Zappanale-Band zu ihren gewohnt guten Zappa-Interpretationen über, wobei vor allem Gitarrist Michael Käckenmeister mit hinreißenden Gitarrensoli die Gunst des Publikums fand. Was für eine begnadete Version von "Watermelon in Easter Hay"!
Und dann kamen die Italiener des
Harmonia Ensemble auf die Bühne. Keyboard, Cello, Klarinette: Zappa! Bis zu 7 Musiker spielen in dem Bandprojekt, vier waren auf der Zappanale und auch das Bandrudiment wusste die Fans in den Bann zu ziehen. Alessandra Garosi, als die der englischen Sprache mächtige Sprecherin der Band, meinte, sie könnte sich jetzt auf der Bühne über ihre nicht englisch sprechenden Kollegen lustig machen - und hatte es damit bereits getan. Sie hielt zu launigen Aussagen an und zeigte sich, wie schon etliche Musiker zuvor, begeistert und bewegt, vor einem so großen und positive "vibrations" zurückgebenden Publikum zu spielen. Was das Publikum bereits kennt: Jedes Jahr sind die Musiker ebenso bewegt auf der Bühne ihr Repertoire spielen zu können und dazu ein großes Publikum zu haben, wie das Publikum, nicht nur gute Musik zu hören, sondern auch sichtlich bewegte Musiker zu sehen, die dem Publikum sagen, dass sie bewegt sind…
Nein, es war nicht wie im Film "Das Parfüm". Die Leute behielten ihre Klamotten an, es wurde kein Massensex veranstaltet, dieserart Rausch ist dem Kino vorbehalten - und den Ideen phantasievoller Schriftsteller. Aber, doch, es ist Liebe, was zwischen den Akteuren auf der Bühne und den Zuhörern davor stattfindet. Echte Zuneigung. Was die einen schließlich veranlasst, ihre CDs zu verkaufen und die anderen, eben diese zu kaufen. Aber das ist eine andere Geschichte…
Oops! Ganz vergessen - es gab eine weitere neue Komponente auf der Zappanale 18. Da stand so ein scheinbar betagter Herr im ebenso zu artikulierendem Anzug auf der Bühne und erprobte sich als Quizmaster. (Und stand dennoch nicht in Konkurrenz zum konkurrenzlosen Jim Cohen, der englisch und deutsch durch das Festival führte und dessen Hemden und Anzüge von SEHR eigenwilligem Geschmack reden, was, wieder einmal, perfekt zur Zappanale passt. Zappanale ohne Jim Cohen, das ist wie, ähm, Sex allein. Geht auch, ist aber nicht so lustig. Das soll aber nicht heißen, lieber Jim Cohen, dass wir alles jetzt total scharf darauf sind, mit Dir rumzuflirten, nix da, wir wollen Dir zuhören, bei Deinen Vorträgen, die ab nächstes Jahr zeitlich und thematisch wachsen werden und demnächst Stunden füllen sollen! OK!?!)
Ben Watson versuchte sich in deutscher Sprache, ließ es bleiben und nutzte seine halbe Stunde, launig die Fragen des Quiz zum Besten zu geben. Das fand am Samstagabend statt, nach Octafish. Vor dem Sonnenuntergang. Bei bestem Wetter, mit sprachlicher Unterstützung, die selbst so ihre Mühe hatte, der deutschen Sprache Herr zu werden. Aber egal, die Fragen waren dem Publikum verständlich, die Antworten nicht in jedem Fall, was der nächste Tag, Sonntag vor dem Hauptact, verriet. Es gab Preise in der Kategorie: Alles Falsch, Eins Richtig, Mehr Richtig und Fast Alles Falsch. Dafür gab es in jedem Fall eine CD. Dann gab es die 10 "echten" Preise. Für die am meisten wissenden Fans gab es ausgefallene Preise. Der erste Preis war eine goldene Zappa-Single. Scheiße, die hätte ich auch gern ergattert. Warum habe ich auch nicht mitgemacht, dachten wohl viele im Publikum, und nicht nur der Typ, der hier unterschreibt…
Der Hauptact:
Chad Wackerman Trio. Um es kurz zu machen, Chad Wackerman war 8 Jahre in Zappas Band, hatte daneben etliche weitere Verpflichtungen, parallel zu Zappa (und zeitlich weit darüber hinaus) bei einem anderen Gitarrengott im Jazzrock: Allan Holdsworth, und diversen Rock- und Popgrößen.
Das Chad Wackerman Trio gab virtuosen, akademischen Jazzrock zum Besten. Vor allem Chad Wackerman wusste mit kaum zu bremsendem, extrem virtuosem Einsatz das Publikum zu bannen. Noch einmal ging die Sonne unter. Nicht ganz so malerisch wie einen Tag zuvor, aber immer noch beeindruckend. Und plötzlich wurde dem Festival bewusst, dass es an sein Ende gekommen war. Ging ansonsten die abschließende Jam-Session gleich vom letzten Gig aus, wurde die Bühne nach Chad Wackerman umgebaut. Sein riesiges Drumset verschwand; Marimba, Schlagzeug, Percussions, Keyboards wurden auf die Bühne geschleppt und nach und nach brachten Gitarristen, Bläser und Bassisten ihre Instrumente auf die Bühne. Die Jamsession startete gemächlich, um immer mehr Feuer zu fangen und jede Menge Musiker auf die Bühne zu lassen, dass der Klangraum weit und dicht zugleich war!
Schluss! Ende! Aus!
Josi, ein Mädchen aus Bad Doberan, beging auf dem Festival ihren 19. Geburtstag.
Viele feierten bis in die Nacht und weit in selbige hinein. Andere hingen nostalgischen Gedanken nach und wandten sich nachdenklich der Heimat zu. Aber was heißt schon Heimat, die Zappanale gehört längst dazu.
Ein Jahr, Freaks, ein Jahr. Und dann heißt es wieder: Information ist nicht Wissen,…: Musik ist das Beste!
We have to stay in contact
Der Regenschirm…ein gefragter Gegenstand während der 18. Zappanale, die schon fast traditionsgemäß auf der Galopprennbahn in Bad Doberan stattfand - Regenschirme und vielleicht Campingstühle.
Ersteres, weil das Wetter absolut auf unserer Seite stand. Die Sonne versteckte sich nicht, wie die Tage zuvor weinenden Wolken im Aprilwetter, sondern lachte jedem (fast schon erbarmungslos) ins Gesicht (und auf den blanken Rücken), der sich nicht in kühlenden Schatten verkriechen konnte, bzw. wollte.
Letzteres, weil das bisher wunderbar weiche Grün auf dem Boden nicht mehr zum Hinsetzen einladen konnte - jetzt piesackten spitze Steine die zarten Festivalbesucherfüße… ein kleiner Gruß vom G-8-Gipfel.
Doch das tat der guten Stimmung keinen Abbruch, die schon fast fühl- und sichtbar über den Platz schwebte. Hervorgerufen von den mit Liebe für die Musik gespielten Instrumenten, die lautstark Zappamusik und eigene gigantische Klangkombinationen zum Besten gaben. Die Begeisterung, die dadurch bei den Zuhörern ausgelöst wurde, war auch deutlich sichtbar: wenn man mal so durch die Reihen der Zuhörer ging, die selbstvergessen und vollkommen in den Bann der Musik gezogen diesen Klängen lauschten.
Und nicht nur die Besucher kamen in diesen Genuss von Hingerissensein, auch die Musiker selbst kamen oftmals freudestrahlend von der Bühne. Denn diese Euphorie, die vor der Bühne herrschte, schlägt den Bands in der Form bestimmt nicht überall entgegen.
Für Zappamusik kann man halt nicht den 0-8-15-Geschmack der Masse haben…für diese komplexen, komplizierten, humoristischen und ausgefallenen Klänge braucht man ein ganz anderes, ein großes Musikverständnis. Ebenso wie die Musik filigran aufgebaut ist, muss wohl auch die "Musikauffassungsgabe" viel ausgeprägter sein.
Als Sahnehaube auf der sowieso schon wunderbaren "Zappanale-Torte" bewiesen sich dann noch Chad Wackerman und Napoleon Murphy Brock (von dem die Überschrift stammt), die ehemaligen Weggefährten von Frank Zappa.
So wurde dieses Festival mit Bands wie Christophe Godin & Mörglbl, Octafish, Sex without Nails Bros., Trigon, Jazzprojekt Hundehagen, Harmonia Ensemble und ebenso für die Zuhörer ein ausgefallenes und wunderbar schräges Erlebnis, auf dessen nächste Inkarnation wir jetzt schon wieder voller Ungeduld warten.
Nach der Zappanale ist vor der Zappanale! Arf Society e.V.
Vorstand
Mit Unterstützung von Volkmar Mantei